
In diesem Blogbeitrag von Tim Havers geht es um die verschiedenen Langhantelvariationen der Kniebeuge und deren Auswirkungen auf die Muskulatur sowie deren Anwendung in der Praxis.
Hintergrund
Ein breites Übungsrepertoire ist nicht nur für Trainer und Athleten interessant, sondern auch für Personen im Freizeit- und Hobbybereich. Denn ein breites Übungsrepertoire bedeutet nicht nur, neue Übungen zu finden, die eine bestimmte Muskelgruppe ansprechen, sondern auch, Übungen so zu variieren, dass Stärken und Schwächen gezielt angegangen werden können. Heute konzentrieren wir uns auf die Kniebeuge. Welche Langhantelvarianten gibt es und worin unterscheiden sie sich?
Langhantelkniebeuge – Ablage matters!
Die gängigsten Varianten der Kniebeuge sind die Nackenkniebeuge (Back Squat), die in eine High-Bar-Kniebeuge (High-Bar = hohe Ablage; auch olympische Kniebeuge genannt) und eine Low-Bar-Kniebeuge (tiefe Ablage) unterteilt wird (Abbildung 1), und die Frontkniebeuge.

Die Hantelposition beeinflusst die muskuläre Beanspruchung beim Krafttraining. Bei der High-Bar-Position ruht die Hantel auf dem Trapezius, während sie bei der Low-Bar-Position auf den zusammengezogenen Schultern liegt. Diese Unterschiede führen zu verschiedenen Anforderungen an den Körper. Bei der Low-Bar-Position muss der Oberkörper stärker nach vorne geneigt werden, um die Hantel im Gleichgewicht über der Fußmitte zu halten.
Daraus ergeben sich unter Umständen auch unterschiedliche Anforderungen an die Muskulatur, um die Last effektiv zu bewegen. So zeigt sich, dass die Gesäßmuskulatur, die ischiocrurale Muskulatur (Oberschenkelrückseite) und die Rückenstreckermuskulatur tendenziell stärker durch die stärkere Vorlage beim Low-Bar Squat beeinflusst werden(5). In der Praxis kommt es häufig vor, dass Anwender der Low-Bar-Kniebeuge einen breiteren Stand als bei einer konventionellen Kniebeuge einnehmen, um tiefer in die Endposition zu gelangen. Wird die Low-Bar-Kniebeuge also mit einem weiten Stand ausgeführt, kann man grob zusammenfassen, dass gerade diese Version der Kniebeuge hüftdominanter ist und häufig mit einer höheren Last verbunden sein kann (6). Dies ist häufig auch der Grund, warum im Kraftdreikampf (Powerlifting) die Low-Bar-Version verwendet wird (Abbildung 2).
Dagegen scheint die High-Bar-Version der Kniebeuge die Quadrizepsmuskulatur (vordere Oberschenkelseite) etwas stärker zu beanspruchen, insbesondere wenn der Stand schulterbreit bis hüftbreit gewählt wird (6). Da die Hantel hier auf dem oberen Teil des Trapezmuskels aufliegt, kann die Hantel bei guter Sprunggelenksbeweglichkeit über den Mittelfuß balanciert werden. Dadurch werden die Knie häufig über die Zehen hinaus geschoben, was zu einer stärkeren Kniebeugung und damit zu einer stärkeren Beteiligung der Oberschenkelvorderseite beim Aufrichten führt (siehe Abbildung 3).


Nachdem wir nun die Unterschiede der Kniebeuge auf der Körperrückseite kennen, stellt sich die Frage, welche Unterschiede es zur Kniebeuge auf der Körpervorderseite (ergo Frontkniebeuge) gibt. Wie bereits erwähnt, wird hier die Hantel auf der Vorderseite der Schulter abgelegt. Die Arme sind nach hinten gebeugt und die Stange wird bei ausreichender Beweglichkeit im Untergriff gehalten (Abbildung 4). Bei mangelnder Beweglichkeit in der Schulter wird die Stange häufig auch im Kreuzgriff gehalten, wobei die Hände mit überkreuzten Unterarmen die Hantel im Obergriff halten. Vergleicht man die High-Bar-Kniebeuge mit der Frontkniebeuge, so zeigt sich bei der Frontkniebeuge eine höhere Aktivität in der Oberschenkelvorderseite, und zwar im Musculus vastus medialis und im Musculus rectus femoris, während bei der High-Bar-Kniebeuge der Musculus semitendinosus, der Hüftstrecker an der Oberschenkelrückseite, stärker beteiligt ist – und das, obwohl in der Frontkniebeuge oft deutlich weniger Gewicht bewegt werden kann (1, 8). Dies ist wohl auf die stärkere Körpervorlange bei der High-Bar-Kniebeuge zurückzuführen.

Safetey Bar Squat – Hype oder unterschätzt?
Darüber hinaus gibt es Variationen der Kniebeuge, die eher auf die Langhantelkonstruktion zurückzuführen sind, wie z.B. der Safety Bar Squat. Die Safety Squat Bar ist eine Langhantel mit einer Wölbung an jedem Ende und Griffen, die vor der Stange herausragen. Bei vielen Modellen zeigt die Wölbung nach vorne, wodurch der Schwerpunkt leicht nach vorne verlagert wird (Abbildung 5). Trainer und Athleten wählen diese Hantel, um die Belastung des Oberkörpers zu reduzieren und gleichzeitig die Oberschenkel- und Hüftmuskulatur zu trainieren.

Auch hier gibt es in der Literatur bereits Vergleiche von Übungen zwischen dem Safety-Bar Squat und dem Back Squat (3, 4, 7). Im Durchschnitt ist die Last beim Safety Bar Squat um ~10% geringer. Die Verwendung des Safety Bar Squat führt zu einer aufrechteren Rumpfneigung im Vergleich zur Highbar Kniebeuge, was möglicherweise zu einer vorteilhafteren Position für den Gluteus Maximus führt, um zum Hüftstreckmoment beizutragen (4). Es wurde jedoch auch gezeigt, dass die Safety-Bar-Squat-Variation eine etwas geringere Beteiligung des Trapezmuskels, des Rückenstreckermuskels und des vorderen Oberschenkelmuskels begünstigen kann (3). Erstes kann ein Vorteil für die Entlastung des Oberkörpers sein. Die Entlastung des Oberschenkels ist allerdings bislang nicht glasklar, da unterschiedliche Studien hier unterschiedliche Ergebnisse zeigen (3, 4, 7). Der Saftey-Bar-Squat kann demnach eine nützliche Ergänzung und Variation im Krafttraining sein.
Schlussfolgerung:
1. Die Langhantelvariationen der Kniebeuge sollten als Kontinuum gesehen werden. Je nach Proportionen, Beweglichkeit, Erfahrung und Verletzungshistorie des Trainierenden gibt es eine Vielzahl von Variationen der Langhantel-Kniebeuge, die eingesetzt werden können.
2. Möchtest du mit der Kniebeuge vor allem die vordere Oberschenkelmuskulatur trainieren, dann wähle eine High-Bar-Kniebeuge in einer eher engen Position oder die Frontkniebeuge (2).
3. Wenn du vor allem die Hüftstreckmuskulatur kräftigen möchtest, dann ist die Low-Bar-Kniebeuge mit weitem Stand die beste Variante (2).
4. Es gibt nicht ‚DIE‘ perfekte Kniebeugetechnik! Es wird nicht empfohlen sich pauschal an die Übungsausführung von „Vorbildern“ zu orientieren. DU bist nicht DEIN Vorbild!